Woyzeck in der Wohngemeinschaft
Ein Besuch der Deutschkurse aus der Q1 (Fr. Küppers) im Theater an der Ruhr.
„Da ist ja nichts wiederzuerkennen“, so Julius nach der Vorstellung. Eric dagegen ist begeistert von den großartigen Songs, live gesungen und gespielt, und den Videoprojektionen im Megaformat.
In der Tat: Dieser Woyzeck ist ganz anders.
Das Berliner Kollektiv Glossy Pain hat das Drama überschrieben und in die Gegenwart katapultiert: Woyzeck lernt Marie im Treppenhaus kennen und wirbt um sie mit einer Sonnenblume. Die taucht dann auf einer weiteren Ebene als Projektion auf, ebenso wie Marie und Woyzeck im Autoscooter auf der Kirmes.
Zum gemeinsamen Essen in die WG eingeladen, in der auch Maries Freundin Margreth lebt, taucht der Protagonist mit selbstgebackenem Brot auf – ein Zeichen seiner Fürsorge. Bald aber schon erscheint das junge Glück zerstört zu sein: Marie zerbröselt den Brotlaib – keine guten Aussichten.
Zumal Marie in einer polyamorösen Beziehung auch mit Andres lebt. Diese Freiheit kann Woyzeck ihr nicht zugestehen.
Überhaupt die Liebe: Margreth mag Woyzeck und die beiden Frauen begleiten einander in allen emotionalen Erschütterungen.
So auch, als Margreth von den männlichen Übergriffen in der S-Bahn berichtet.
Damit setzt das Kollektiv einen ganz neuen Aspekt: Mit diesem feministischen Ansatz wird der Klassiker angereichert – und zwar überzeugend. Besonders, als Marie in ihrem Schlussmonolog eine Collage aus Zeugenaussagen und Gerichtsurteilen spricht, die von männlicher Macht und weiblicher Ohnmacht berichtet – das geht unter die Haut.
Eine gelungene Inszenierung von jungen Menschen für junges Theaterpublikum.